Christus ist der auf meinen Wegen

Ein Loblied auf die Jünger, die Jesus am Ende seines Lebens im Stich liessen? Ja, denn sie haben Jesus «ins Leben geglaubt», sagt die Luzerner Theologin Li Hangartner in ihren Gedanken zu Ostern.

 

Von Li Hangartner |  27.03.2024

«Sie assen mit dem Fremden auf dem Weg, es war Christus»: die Luzerner Theologin Li Hangartner in ihren Gedanken zu Ostern. h Bild: Gregor Gander-Thür, aufsehen.c

 

In den Passions- und Ostergeschichten wird von einigen Menschen Gutes erzählt. Von Maria von Magdala, die seine Füsse salbt; von demjenigen, der seinen Esel ausleiht für den grossen Einzug in Jerusalem; von dem Unbekannten, der ihm das Kreuz tragen hilft; von Veronika, die mit zärtlicher Geste sein blutüberströmtes Gesicht berührt.

Nicht so von seinen Jüngern, die schon lange Zeit mit ihm übers Land gezogen sind, die mit ihm gegessen und getrunken und die vielen Heilungen gesehen haben. Sie kommen in den Berichten der Evangelien schlecht weg. Sie kommen in den heutigen Predigten und Meditationen schlecht weg; etwa der grossmäulige Oberjünger Petrus, der aus Angst leugnet, zur Jesusgruppe zu gehören; oder die Jünger, die noch kurz vor Jesu Leidensweg darüber streiten, wer von ihnen der Grösste ist; oder Jakobus und Johannes, die von Jesus erbitten, dass im «Reich seiner Herrlichkeit» einer von ihnen zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken sitzen darf; oder die Jünger, die zur bittersten Stunde am Ölberg immer wieder einpennen. Erbärmliche Figuren. Aber ich will sie nicht zu sehr schimpfen, denn sie sind wie wir: Wegläufer, Feiglinge, zerfressen von Ehrgeiz …

Loben, nicht verdammen

Nein, ich will sie nicht verdammen; ich will sie sogar loben, an denen kein gutes Haar gelassen wird. Warum? Sie haben Jesus ins Leben geglaubt. Nein, sie haben ihn nicht auferweckt, das hat Gott getan. Aber sie haben Anteil an der Arbeit Gottes. Sie haben ihn mit ihrem Glauben aus der Gruft des Vergessens gerettet. Sie haben ihn ins Leben geglaubt. Ihr Glaube war langsam, mit Zweifeln gespickt. Aber er hat Jesus ins Leben gezogen.

Sie nannten ihn Christus

Ohne den Glauben seiner Jünger und Jüngerinnen wäre der Gärtner, dem Maria von Magdala begegnet ist, immer noch ein beliebiger Gärtner. Ohne den Glauben der Emmausjünger wäre der Fremde, der mit ihnen gehen wollte, immer noch der x-beliebige Fremde, dem man nicht verpflichtet war und dem man nichts verdankte. Ohne ihren langsamen und bedächtigen Glauben bliebe der Fremde, den sie im Morgengrauen am Ufer stehen sahen, eine Spukgestalt. Sie haben der Welt einen Namen

gegeben. Sie nannten den Gärtner Christus, sie assen mit dem Fremden auf dem Weg, es war Christus. Sie nannten die namenlose Gestalt am Ufer Christus. Ihr Glaube hat ihnen den Mund geöffnet zu erzählen, wer der Christus ist: der auf meinen Wegen; der, der mit mir essen will. Nichts mehr ist, was scheint. Alle Menschen sind die Verstecke Christi. Das ist der wundervolle Osterglaube, den mir die Jünger und Jüngerinnen vermacht haben.

Li Hangartner ist freischaffende feministische Theologin, von 1989 bis 2017 war sie Bildungs­verantwortliche im Romerohaus Luzern. Sie gestaltet regelmässig Gottesdienste im «MaiHof» Luzern.