Aha-Erlebnisse mit der Bibel

Mit modernen Bildern über alte Texte sinnieren. Dazu lädt das Katholische Bibelwerk erstmals mit einem Kalender ein. Gestaltet wurde er von drei Fachleuten aus Luzern.

Von Sylvia Stam |  29.11.2022

Die Sujets für den Kalender entstanden im gemeinsamen Ringen, erzählen Winfried Bader, Barbara Bucher und Veronika Bachmann (von links). Bild: Sylvia Stam

«Seit ich mich mit diesen Bibelzitaten befasse, habe ich lauter Aha-Erlebnisse», sagt Barbara Bucher. Die Künstlerin und Textildesignerin aus Horw hat für jeden Monat ein Bild des Bibel-Meditations-Kalenders gestaltet. Als «befreiend» hat sie diese Auseinandersetzung erlebt, denn die Bibel war für sie bislang ein steifes Buch, dessen Inhalt man nicht diskutieren durfte.

Dabei wäre sie eigentlich «ein Schatz voller Zeugnisse, wie Menschen seit Jahrhunderten über Gott, Himmel, Erde und die Menschen mittendrin nachdenken», sagt die Luzerner Alttestamentlerin Veronika Bachmann. Sie hat aus der ökumenischen Leseordung für jeden Monat einen Bibel-Ausschnitt ausgewählt. Aus diesem stellt sie je ein prägnantes Zitat ins Zentrum.

«Das Alte Testament ist lebensnäher als das Neue.»
Winfried Bader

Die Bilder zu diesen Zitaten wurden in Siebdruck gestaltet. Die Sujets entstanden in intensivem Ringen zu dritt, erzählt das Trio. Dabei wurde eine reine Bibel-Illustration vermieden: Ein Krokodil, das im Buch Hiob erwähnt wird, erscheint als roter Feuerball. «Ich habe die Energie des Krokodils ins Bild gesetzt», erklärt Barbara Bucher. 

Bezüge zum eigenen Leben

«Die Bibel stellt Bezüge zum Leben her, die man jedoch erst entdeckt, wenn man selber über ihren Sinn nachdenkt», sagt der Luzerner Theologe Winfried Bader, Zentralsekretär des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks, das den Kalender herausgibt. Um dieses Nachdenken anzuregen, hat er zu jedem der zwölf Bibelausschnitte zwei Fragen verfasst. «Die erste fordert dazu auf, den Text genau zu lesen. Dem Heiligen Geist, der in der Bibel wirkt, sozusagen die Landebahn zu verlängern.» So lautet etwa die erste Frage zum Psalm 63: Welche guten Eigenschaften und hilfreichen Tätigkeiten von Gott nennt das betende Ich des Psalms?

«Der Kalender kann in der Küche, im Pfarreisekretariat, im Stall, im Schulzimmer hängen.»
Veronika Bachmann

Die zweite Frage richtet sich an die Lesenden: Wo finde ich im Text eigene Erfahrungen? Zum Psalm 63 wird also gefragt: Wo sind Sie mit Lügen konfrontiert, privat, bei der Arbeit, in den Medien, in der Politik?

In Küche, Stall, Schulzimmer

«Das Alte Testament ist lebensnäher als das Neue», entgegnet Bader auf die Frage, weshalb keine neutestamentlichen Texte vertreten sind. In der Pfarreiarbeit habe er die Erfahrung gemacht, dass sich eher Denkräume öffnen, wenn die Lesenden den Text noch nicht gut kennen. «Es wird gerne vergessen, dass Jesus für sein Wirken aus diesen Schriften schöpfte», fügt Bachmann an.

Sie sieht den Kalender «in der Küche, im Pfarreisekretariat, im Stall, im Schulzimmer» hängen. Es gehe darum, «Lebendiges aus der biblischen Tradition in den Alltag zu integrieren», sagt die Theologin, die an der Paulus-Akademie in Zürich tätig ist. Winfried Bader stellt sich Pfarreiteams vor, die jeden Monat einen biblischen Text meditieren könnten. Barbara Bucher wiederum ist der Meinung, dass er sich gut für den Religionsunterricht eignet. Auch wenn man die Bilder und Texte alleine meditiere, sei man durch die Anbindung an den ökumenischen Leseplan «Teil einer Gemeinschaft, die die Bibel liest», so Bachmann.

Der Bibel-Meditations-Kalender kann für Fr. 22.– bezogen werden unter bibelwerk.ch