Die heilige Ottilie von Buttisholz

«Gott, manchmal fühle ich mich blind», heisst ein Gebet, das in Buttisholz öfters gesprochen wird. Dort ist eine Kapelle der heiligen Ottilie geweiht, der Fürbitterin für gesundes Augenlicht.

 

Von Vera Rüttimann/kath.ch |  13.01.2023

Deckengemälde in der Ottilienkapelle Buttisholz Bild: Vera Rüttimann

 

«Wenn die Bäume kein Laub tragen, dann sieht man diese Kapelle von weit her», sagt Eduard Birrer. Die Rede ist von der St. Ottilienkapelle, ein fast orientalisch anmutendes Gebäude auf einem Hügel bei Buttisholz. Bei klarer Sicht sind ein Auslauf der Pilatuskette und die Hügel vom Entlebuch zu sehen.

«Viele Menschen haben hier schon ihre Gedanken niedergeschrieben.»
Eduard Birrer.

Die Kapelle St. Ottilien gehört zur Pfarrei St. Verena in Buttisholz, wo Eduard Birrer seit 32 Jahren als Seelsorger wirkt. Neben seiner Arbeit als Priester im Pastoralraum im Rottal betreut er auch diesen Wallfahrtsort.

Kraftort am Kapellenweg

Die schmucke Kapelle ist der heiligen Ottilia geweiht. Sie ist die Fürbitterin für gesundes Augenlicht. Denn Ottilia kam laut Überlieferung im Jahr 657 blind auf die Welt. Deshalb wollte ihr Vater sie töten lassen. Die Mutter versteckte ihr Kind in einem Kloster. Der heilige Eberhard, Abt von Ebersmünster an der Ill, taufte die Herzogstochter auf den Namen Ottilia. Plötzlich konnte das Mädchen sehen. Später gründete Ottilia ein Kloster und wurde zur Schutzpatronin des Elsass.

 


Vor der Statue der «blindgeborenen Ottilie» zünden viele Menschen Kerzen an. | Bild: Vera Rüttimann

All das ist lange her – und doch noch präsent. St. Ottilien ist ein Kraftort. Die Kapelle liegt nicht nur inmitten von Wiesen, Apfelbäumen und Bauernhöfen, sondern auch in einer Landschaft, die geprägt ist vom katholischen Brauchtum. Eduard Birrer nennt kleine Wegkapellen, Bildstöcke und Wegkreuze. «St. Ottilien gehört zum Luzerner Kapellenweg», sagt der Priester und strahlt. «Wir haben einen wunderbaren Ort. Ich kann nur sagen: Kommen Sie und geniessen Sie die Ausstrahlung und Kraftquelle der Heiligen Ottilia!»

Gottesdienst mit Augensegen

Im Zentrum der Kapelle steht eine grosse Figur, sie stellt die heilige Ottilia als Äbtissin dar. Auf dem Altar steht das Reliquienkreuz. Eduard Birrer zeigt mit dem Finger auf die Mitte. «In einer Vertiefung befindet sich ein Knochensplitter der heiligen Ottilia», sagt er. Die Reliquie spende Kraft: «Die meisten Leute kommen wegen des Gottesdienstes mit Augensegen hierher. Während des ganzen Jahres feiern wir am ersten und dritten Mittwoch im Monat einen solchen Gottesdienst mit Augensegen.» Gross gefeiert wird auch das Patrozinium am 13. Dezember.

 


In der Kapelle hat Eduard Birrer «schon manch eindrückliche Lebensgeschichten erfahren». | Bild: Vera Rüttimann

Den Augensegen spendet Eduard Birrer mit den Worten: «Auf die Fürbitte der heiligen Ottilie helfe dir Gott». Dann legt er der Person das Reliquienkreuz auf die Stirn. Zum Augensegen kommen Menschen mit verschiedenen Augenleiden, erzählt Eduard Birrer. «Ich habe schon viele eindrückliche Lebensgeschichten erfahren.»

Gebet für erblindete Frau

Und wie ist die Ottilien-Kapelle im Luzernischen entstanden? Eduard Birrer verweist auf das 10. Jahrhundert. Damals soll ein Landwirt vom Weiler «St. Ottilien Buttisholz» ins Elsass gepilgert sein, um in der Heimat der heiligen Ottilie für seine fast erblindete Frau zu beten. Er habe versprochen, im Falle einer Genesung der Heiligen Ottilia ein Denkmal zu errichten. Seine Frau sei geheilt worden – und so gab’s ein «Helgenstöckli». Später wurde auf dem Hügel eine stattliche Kapelle gebaut. Die heutige Kapelle stammt aus dem Jahre 1669.

Votivtafeln in Augenform

In der Kapelle finden sich verschiedene Zeugnisse der Danksagung. Sie sind vor allem in den Seitenaltären zu bestaunen. Auf ihnen stehen goldgefasste Obelisken, die mit Hunderten von silbernen Votivtafeln in Form von Herzen und Augen geschmückt sind. Von innen heraus gestanzte und gestaltete Metallstücke. «Das ist eine spezielle Kunst», sagt Eduard Birrer.

An den Seitenwänden des linken Seitenaltars befinden sich einige Votivtafeln. Vor dem rechten Seitaltar zünden Menschen auch an diesem Vormittag eine Kerze an. Sie tun dies vor der Statue «Ottilia, die Blindgeborene». Nicht wenige von ihnen schreiben etwas in ein Anliegenbuch, ehe sie die Kapelle wieder verlassen. «Viele Menschen haben hier schon ihre Gedanken niedergeschrieben», sagt Eduard Birrer.

Hier wohnen Fledermäuse

Die Ottilienkapelle hat im Laufe der Zeit Mitbewohner erhalten – und zwar zwischen 500 und 700 Fledermäuse, die im Dachgebälk hausen. Eduard Birrer zeigt auf eine Öffnung im Mauerwerk und sagt: «Ich hatte selbst noch nie eine nähere Begegnung mit ihnen. Ich sehe sie am Abend wegfliegen, wenn sie auf Futtersuche gehen.» Ein Verein kümmere sich um die Tiere. «Ab und zu werden sie beim Ausfliegen gezählt», erzählt der Priester.

 


Die Ottilienkapelle mutet orientalisch an.
Bild: chrisaliv, CC BY-SA 3.0, wikimediacommons

Bei der Renovation der Kapelle vor einigen Jahren habe der Verein befürchtet, dass die Fledermäuse vertrieben worden seien. «Doch sie sind geblieben. Sie merken wohl auch, dass dies ein Kraftort ist und dass sich hier ganz gut brüten lässt», sagt Eduard Birrer und lacht.

Zur Sakristei führt eine lange Holztreppe, die auch zu den Fledermäusen führt. Sind die Fledermäuse in ihre Winterquartiere ausgeflogen, wird hier geputzt. Eduard Birrer sagt: «An der Kilbi verkaufen die Ministrantinnen und Ministranten den Fledermauskot. Das ist erstklassiger Dünger, vor allem für die Rosen.»

Gebet zur heiligen Ottilie

Gott, manchmal fühle ich mich blind,
wie eingeschlossen in einem dunklen, riesigen Gefängnis.
Manchmal sehe ich überhaupt nicht klar.
Manchmal fehlt mir jeder Durchblick.
Eigentlich freue ich mich über alle Farben des Lebens.
Eigentlich bin ich dankbar für meine Augen,
für allen Reichtum, den sie mir bisher schenkten.
Und doch erscheint mir das Leben oft grau in grau.
Darum vertraue ich auf die heilige Ottilia und bitte dich:
Öffne du mir die Augen meines Herzens.
Nimm du die Blindheit von mir!
Lehre mich von Neuem Staunen und Entdecken.
Lehre mich ehrlich sein,bwenn andere das Dunkle bagatellisieren.
Hilf du mir deine Spuren entdecken:
die Spuren des Lichtes und der Freude, die Spuren der Zuversicht und der Liebe.
Ich danke dir.
Amen.

Aus der Ottilienkapelle