Ein letztes Mal das Grab segnen

Nach 10 bis 25 Jahren räumen die Gemeinden Gräber auf dem Friedhof. Manche Pfarreien laden die Ange­hörigen ein, dann noch einmal der Verstor­benen zu gedenken. Zum Beispiel Ebikon.

Von Dominik Thali |  14.02.2023

«Der Weg mit einem verstorbenen Menschen endet nie.» Andres Lienhard bei der Endsegnung auf dem Friedhof Ebikon vor einem Jahr. Bild: Roberto Conciatori

Erinnerung verblasst, Verbundenheit aber bleibt. «Der Weg mit einem geliebten verstorbenen Menschen endet nie», sagt Andres Lienhard. «Wir wissen nicht, was sein Tod mit uns macht – im Augenblick oder auch erst nach vielen Jahren.» Die Spanne, bevor die Grabruhe endet und die politische Gemeinde ein Grab räumt, ist für ihn Gelegenheit, die Verbundenheit mit Verstorbenen noch einmal und in Gemeinschaft zu pflegen.

Lienhard, Theologe und seit gut drei Jahren Pfarreiseelsorger in Ebikon, lädt deshalb am 25. Februar wieder die Angehörigen derjenigen Verstorbenen zur sogenannten Endsegnung ein, deren Gräber nächstens nach Ablauf der Grabruhe aufgehoben werden. Die Feier wolle das Abschiednehmen von einem Ort bewusst machen, an dem sich die Angehörigen «viele Male mit ihren Gedanken, Gebeten und Erinnerungen» aufgehalten hätten, heisst es in der Einladung. Sichtbare Zeichen gingen nun in unsichtbare über. Die Gräber würden noch einmal gesegnet, «wir erinnern uns in Dankbarkeit und gehen gemeinsam weiter».

Es braucht Orte der Trauer

Andres Lienhard bot die Endsegnung das erste Mal vor zehn Jahren an seinem damaligen Arbeitsort im Freiamt an. Obwohl es dort um die Aufhebung von nur acht Gräbern ging, erschienen über 50 Personen. Das grosse Interesse bestätigte Lienhards Erfahrungen. Er setzt sich seit über 30 Jahren mit Sterben, Tod und Trauer auseinander; als Spitalseelsorger begleitete er Abschiede von alten Menschen ebenso wie solche von kaum Geborenen. Lienhard weiss, dass es Orte und Gelegenheiten braucht, den Schmerz auszudrücken und zu teilen.

«Trauer hört nicht einfach auf»

Aber nach Jahrzehnten noch? Diese Frage höre er immer wieder, sagt Lienhard. Seine Antwort: «Trauer hört nicht einfach auf. Sie kann sich nur wandeln, andere Formen finden.» Die Endsegnung sei ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Manche Angehörige legten dabei ein letztes Mal Blumen auf ein Grab, berichtet er. Vielleicht flössen noch einmal Tränen. Oder aber die Angehörigen verharrten in stiller Erinnerung und Dankbarkeit. Wieder andere empfänden die Aufhebung eines Grabes auch als Befreiung.

«Wir erinnern uns in Dankbarkeit und gehen gemeinsam weiter.»
Andres Lienhard

Fast immer aber erlebt Andres Lienhard an der Endsegnung Gemeinschaft. Jahre nach dem Tod eines Menschen kommen dann nochmals viele Familienangehörige und Freunde zusammen. «Die Verstorbenen schenken uns noch einmal Gemeinschaft», sagt Lienhard. Ihm ist wichtig, nicht von Toten zu sprechen, sondern von Verstorbenen. «‹Tot› ist tot in jeder Form», sagt er. Im christlichen Verständnis lebe ein Mensch nach seinem irdischen Tod aber weiter, «einfach auf andere Weise».

Zur Endsegnung lädt die Pfarrei Ebikon die Angehörigen aller Verstorbenen ein, deren Grab aufgehoben wird, unabhängig von deren damaliger Konfession oder Religion. Die Feier mit Gräbersegnung dauert etwa eine halbe Stunde. Nach einem gemein­samen Teil geht Andres Lienhard von Grab zu Grab, um den Angehörigen zu begegnen.

Die Endsegnung findet am Samstag, 25. Februar, um 10 Uhr auf dem Friedhof Ebikon statt.