Engpässe beim Leitungspersonal
Im Kanton Luzern fehlt zunehmend kirchliches Personal auf Leitungsebene. Was bedeutet es für einen Pastoralraum, keine Leitung zu haben? Welche Lösungsansätze gibt es?

Wenn Leitungspersonal fehlt, müssten Pfarreien und Pastoralräume gemeinsam Verantwortung tragen. Bilder: Emmanuel Ammon
Die Ankündigung überraschte: Anfang Jahr teilte Livia Wey, Leiterin des Pastoralraums Region Sursee, ihre Demission per August dieses Jahres mit. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade mal ein Jahr im Amt.
«Diese Arbeit braucht nicht nur ein immenses Mass an Übersicht und Einsatz vor Ort, sondern beschäftigt mich auch gedanklich weit über die Arbeitszeit hinaus. Bei all diesen drängenden Organisations- und Führungsaufgaben bleibt kaum Raum für Seelsorge und das, was mir ausserdem wichtig ist», teilte sie auf der Webseite des Pastoralraums (PR) als Begründung mit.
Neue Profile, neue Formate
Weys Begründung zeigt ein Grundproblem auf: Wer einen Pastoralraum leitet, hat in der Regel ein Theologiestudium abgeschlossen. Theolog:innen werden somit sowohl für die Seelsorge – ihr Kerngeschäft – als auch für organisatorische Aufgaben gebraucht. Lösungsansätze gehen entsprechend in zwei Richtungen, wie die Gespräche in den betroffenen Luzerner Pastoralräumen zeigen: Die Theolog:innen werden entweder durch neue Stellenprofile von organisatorischen Aufgaben entlastet. Oder es werden neue liturgische Angebote geschaffen, für die kein Theologiestudium erforderlich ist.

Livia Wey an der Konferenz des Pastoralraums Region Sursee.
Der PR und der Kirchgemeindeverband Region Sursee haben sich in einem Strategieprozess genau diesen Fragen gestellt: «Was sind Kernaufgaben von Theolog:innen und welche Aufgaben könnte man delegieren?», erläutern Livia Wey und Rolf Baumann, Verwalter des Kirchgemeindeverbands Region Sursee.
Nach Prüfung verschiedener Modelle wird die heutige 100-Prozent-Stelle von Wey neu aufgeteilt auf drei Stellen mit insgesamt 250 Stellenprozenten: Am Standort Sursee wird eine Koordinationsperson eingesetzt, für den Pastoralraum eine pastorale und eine administrative Leitung gesucht. Die Leitungsstellen wurden Anfang Juni ausgeschrieben. Von der administrativen Leitung wird ein Studium in Non-Profit-Management erwartet.
Modell fordert Bistum heraus
Das neue Leitungsmodell auf Ebene Pastoralraum fordert auch das Bistum heraus, weil erstmals Personen ohne Theologiestudium Leitungsfunktionen übernehmen. Das Leitungsmodell für Pastoralräume im Bistum Basel wurde entsprechend erweitert. Die administrative Leitungsperson braucht gemäss Bistum keine «Missio canonica», sondern lediglich eine bischöfliche Beauftragung. Um diese zu erhalten, sind die Bedingungen im Bereich der privaten Lebensform weniger streng: Auch Personen, die geschieden und wiederverheiratet sind oder in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben, können eine organisatorische PR-Leitungsstelle antreten.

Mitglieder des PR Region Sursee diskutieren über die Zukunft des Pastoralraums.
Leitungspersonen fehlen aktuell in vier weiteren Pastoralräumen des Kantons Luzern. Bischofsvikar Hanspeter Wasmer, der für den Kanton Luzern zuständig ist, macht sich nichts vor: «In zehn Jahren haben wir noch die Hälfte des kirchlichen Personals.» Daher begrüsst er Modelle, wie sie nun in Sursee angestrebt werden. Er sieht aber auch die Kirchgemeinden, die jeweils zum gleichen Pastoralraum gehören, in der Pflicht: «Auch sie müssen grossräumiger denken und gemeinsam Verantwortung tragen.» Viele Kirchgemeinden hätten den Prozess von den Pfarreien zu den Pastoralräumen nicht im gleichen Tempo mitgemacht.
Kirchliches Leben vor Ort
Wie aber kann das kirchliche Leben vor Ort weitergehen, wenn grössere Räume geschaffen werden? Wasmer setzt auf das Modell der Vernetzungspersonen, das auch Sursee anstrebt. Diese übernehmen in den einzelnen Pfarreien Koordinations- und Organisationsaufgaben. «Die Vernetzungsperson ist das Gesicht vor Ort. Sie muss kein:e Theolog:in sein», sagt Rolf Baumann. Diese Aufgabe könnten laut Wasmer auch Katechetinnen, Sakristane, Pfarreisekretärinnen oder Leitungsassistenzen wahrnehmen.
Markus Kuhn findet die Idee der Vernetzungspersonen in den Pfarreien einen guten Ansatz. Er leitet den Pastoralraum Malters-Schwarzenberg seit Januar ad interim. «Dieser Pastoralraum ist klein und überschaubar. Doch in der Praxis werden die Räume immer grösser, was dann für eine einzelne Leitungsperson eine sehr grosse Herausforderung darstellt», sagt Kuhn. Schliesslich sei es ja auch wichtig, Zeit für die einzelnen Mitarbeitenden zu haben. «Ein Wort mit ihnen reden, zum Geburtstag gratulieren, auch solche Dinge müssen Platz haben.»
Andere Gottesdienstformate
Chancen sieht Kuhn in Gottesdienstformen, für die nicht zwingend ein:e Seelsorger:in nötig ist. «Dafür braucht es jedoch den Mut, neue Wege zu gehen.»

Wünsche werden notiert: an der Pastoralraumkonferenz in Sursee.
Einen solchen Weg geht Sepp Hollinger im PR Pfaffnerntal-Rottal-Wiggertal bereits. Dieser ist seit über einem Jahr ohne Leitung. Der Diakon hat mit Lektor:innen aus der Pfarrei St. Urban eine Liturgiegruppe ins Leben gerufen, die einmal monatlich einen Wortgottesdienst mit Bibelteilen feiert. Basis ist jeweils das Tagesevangelium, ein Raster für den Ablauf der Feier haben sie gemeinsam erarbeitet. Auf Wunsch unterstützt Hollinger die Einzelnen. «Wir sind getauft, gefirmt und frei», so Hollinger, «wir müssen uns ein Stück weit selber helfen.»
Auf den Heiligen Geist hören
Auch Bischofsvikar Hanspeter Wasmer sieht Chancen in anderen Formaten wie Taizé- oder Familiengottesdiensten. Persönlich bedauert er den Rückgang an theologischem Personal. Dennoch vertraut er auf Gott: «Es ist seine Kirche. Vielleicht müssen wir besser auf ihn hören. Was will der Heilige Geist, wenn weniger Menschen sich zum kirchlichen Dienst berufen fühlen?»
Studiengang Seelsorge
Der Standardweg zum/zur Seelsorger:in war bisher ein Studium in Theologie. Ab Herbst 2026 gibt es neu einen «Dualen Studiengang Seelsorge», der seelsorgerliche Praxis mit dem Theologiestudium verbindet. Er richtet sich an Absolvent:innen des Religionspädagogischen Instituts (RPI) oder des Studiengangs Theologie am Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut (TBI), aber auch an Quereinsteiger:innen.
Beide Institute können ohne Matura und berufsbegleitend absolviert werden (drei bis vier Jahre). Es folgt eine Anstellung von maximal 50 Prozent als «Seelsorger:in in Ausbildung», parallel dazu ein zwei- bis dreijähriges Studium der Theologie. Dies eröffnet den Zugang zur ein- bis zweijährigen Berufseinführung (je nach Bistum).