«Ermutigung» kommt als «Rüffel» an

Wer nicht zum Priester geweiht ist, darf keine Sakramente spenden, besagt das Kirchenrecht. In einem Brief rufen die Bischöfe von Basel, St. Gallen und Chur dies auf undiplomatische Weise in Erinnerung.

Von Sylvia Stam |  30.01.2023

Die Liturgie sei kein Experimentierfeld für persönliche Vorhaben, ermahnen die Bischöfe. Nur ein Priester dürfe der Eucharistie vorstehen. Symbolbild: Harald Oppitz/KNA

«Die Gläubigen haben ein Recht auf Gottesdienste, die den Regeln und Formen der Kirche folgen», schreiben die Bischöfe Felix Gmür (Basel), Markus Büchel (St. Gallen) und Joseph Bonnemain (Chur) am 5. Januar in einem Neujahrsbrief «an die Schwestern und Brüder in der Seelsorge». Sie rufen deshalb in Erinnerung, «dass nur der Priester gültig der Eucharistie vorsteht, sakramentale Versöhnung zuspricht und die Krankensalbung spendet». Die Bischöfe hätten «besorgte Anfragen und Rückmeldungen» erhalten. Sie zeigen sich gleichzeitig «dankbar für den synodalen Prozess», welcher im Februar in die kontinen­tale Phase geht.

Hintergrund des Schreibens ist eine Eucharistiefeier in Effretikon, bei der eine Seelsorgerin das Hochgebet mitgesprochen hatte, und die Aussage einer St. Galler Seelsorgerin gegenüber SRF, sie habe Sakramente gefeiert.

Wo bleibt die Synodalität?

Das Schreiben der Bischöfe, von kath.ch als «Rüffel-Brief» bezeichnet, hat einen medialen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die «Allianz Gleich­würdig Katholisch» etwa fragt in einem offenen Brief, in welchem synodalen Gefäss das Schreiben entstanden sei. «Warum finden Sie einen Aufruf zur Einhaltung der Formen und Regeln zum jetzigen Zeitpunkt während des laufenden synodalen Prozesses so wichtig, dass Sie nicht zuwarten können?», fragt die Allianz.

Auf die diverse Kritik angesprochen, entgegnet Bischof Felix Gmür, das Schreiben sei kein «Rüffel», sondern «eine Ermutigung an alle Seelsorgenden, sich mit grosser Freude im christlichen Dienst zu engagieren», sagt er gegenüber kath.ch.

Rückendeckung aus Rom

Verständnis für die Bischöfe zeigt Urs Corradini, Diakon und Leiter des Pastoralraums Oberes Entlebuch: «Wenn einem das Priesteramt wichtig ist, dann ist zu respektieren, dass die Priester einen sakramentalen Auftrag haben, der mit der Spendung der Sakramente verbunden ist. Wenn alle nun Sakramente spenden sollen, mit oder ohne Weihe, dann muss man sich konsequenterweise für die Abschaffung des Priesteramts einsetzen», sagt er im Interview mit kath.ch.

Rückendeckung kommt auch von Kardinal Kurt Koch: «Die Deutschschweizer Bischöfe haben Essentials des katholischen Glaubens in Erinnerung gerufen. Das ist ihr Recht und ihre Pflicht; und sie haben dies in einer sensiblen Weise getan», sagt er im Interview mit kath.ch.

Sensibilität jedoch vermisst der von kath.ch befragte Unternehmensberater und Theologe Tobias Heisig: «Um zu überzeugen, braucht es eine Atmosphäre, in der die andere Seite darin unterstützt wird, sich überzeugen zu lassen. Dem dient das Schreiben kaum.» Die Formulierung «Wir bitten Sie nachdrücklich, die Liturgie nicht zum Experimentierfeld persönlicher Vorhaben zu machen» unterstelle Ego-Interessen und sei schon unter Höflichkeitsgesichtspunkten fragwürdig.

Heisig hat durchaus Verständnis dafür, dass Bischöfe Regeln durchsetzen müssen. Dennoch ermutigt er sie, «Unschärfen und Polyphonie» zuzulassen: «Erkennt eure Professionalität darin, dass ihr mit der Spannung zwischen Unterbindung und Duldung von Regelabweichungen kreativ umgeht.»