Hoffnung, Humor, Herausforderungen
Auf dem neu gewählten Papst Leo XIV. ruhen die Hoffnungen von 1,4 Milliarden Katholik:innen. Schweizer Kirchenvertreter:innen wünschen sich von ihm vor allem eine Fortsetzung des synodalen Weges.

Papst Leo XIV. grüsst aus dem Papamobil die Menschen auf den Strassen in Rom. | Bild: KNA
Am 8. Mai wurde Kardinal Robert F. Prevost zum 267. Papst der römisch-katholischen Kirche gewählt. Der Augustiner gilt als diplomatisch und pragmatisch, als ein Mann der Mitte, der gut zuhören könne, der ausgleichend sei und vermittelnd.
Friedensbotschaft
Als sich Papst Leo XIV. nach seiner Wahl zum ersten Mal auf der Loggia des Petersdomes zeigte, richtete er sich mit den Worten «Der Friede sei mit euch allen» an zehntausende Menschen auf dem Petersplatz. Die kurze Ansprache weckte weltweit Hoffnung, dass sich der Papst auch politisch für Frieden einsetzen werde. In seiner Predigt anlässlich seiner Amtseinsetzung bestätigte Leo diese Hoffnung: Er möchte Brücken bauen zwischen Tradition und Gegenwart, Wunden heilen in Kirche und Welt – und eine missionarische Kirche, die liebevoll, ideologiefrei und menschenzugewandt ist. Als weitere Schwerpunkte seines Pontifikats benannte er Frieden, Umweltschutz, Kapitalismuskritik und Schutz der Armen. Damit positioniert er sich inhaltlich in der Tradition seines Vorgängers Franziskus.
Der Name Leo ist Programm
Dass er den Namen Leo gewählt hat, wird so gedeutet, dass er einen Bezug zu Leo XIII. herstellen will, der Ende des 19. Jahrhunderts die Sozialenzyklika «Rerum novarum» verfasste.
Die katholische Soziallehre hatte das Wohl der Arbeiter:innen im Blick und forderte Gerechtigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Soziale Gerechtigkeit scheint dem neuen Papst also besonders wichtig zu sein.
Schlagabtausch mit J.D. Vance
Befürchtungen, der amerikanische Papst könnte einen Schulterschluss mit US-Präsident Donald Trump machen, gibt es kaum. Im Gegenteil: Vor Kurzem machte ein Schlagabtausch zwischen Prevost und dem amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance auf dem Nachrichtendienst X Schlagzeilen. «JD Vance is wrong: Jesus doesn’t ask us to rank our love for others» («JD Vance hat Unrecht. Jesus lehrt uns nicht, die Liebe zu anderen zu kategorisieren»). Das war die Antwort auf einen Post des Vizepräsidenten, in dem er mit Verweis auf die Bibel erklärte, dass Christ:innen sich zuerst um sich selbst und dann erst um Fremde kümmern müssten.
Ökumene und Frauenfrage
Einen feinen Humor soll er haben, und er könne einen auch schon mal herausfordern, sagt der österreichische Augustiner Dominic Sadrawetz über seinen Mitbruder. Als zugänglich, zurückhaltend und unaufdringlich beschreibt ihn Bischof Felix Gmür. Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, sieht in seinem bischöflichen Wahlspruch «In dem Einen sind wir vielen eins» auch ein Hoffnungzeichen für die Ökumene.
Helena Jeppesen, Schweizer Teilnehmerin an der Weltbischofssynode 2023/24, hat den damaligen Kardinal Prevost persönlich kennengelernt: «Ich glaube, es ist ein ausgezeichneter Kompromiss. Ich bin froh, dass sich die Kardinäle, die von Franziskus ernannt worden sind, offenbar wirklich gefunden haben und durchsetzen konnten», sagte sie gegenüber kath.ch. «Er ist einer der ersten, der Frauen
in seinem Dikasterium in Leitungspositionen eingesetzt hat. Und diese Frauen arbeiten sehr gerne dort», sagte sie weiter. Aber mit überragenden Äusserungen sei er an der Synode dennoch nicht aufgefallen.
Evangelium statt Reformen
Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) äussert in seiner Stellungnahme den Wunsch, dass der neue Papst den Mut habe, «weiterzugehen, offener zu kommunizieren und strukturelle Reformen anzugehen. Die Stimmen von Frauen in der Kirche dürfen nicht länger überhört oder auf symbolische Rollen oder Verwaltungsaufgaben reduziert werden», so der SKF. Ausserdem sei es für die Schweiz wichtig, dass die begonnene Dezentralisierung und die Erweiterung der Eigenständigkeit der Ortskirchen weitergeführt werde. Solche Hoffnungen dämpft der deutsche Bischof Norbert Strotmann. Der frühere Generalsekretär der peruanischen Bischofskonferenz kennt den heutigen Papst aus dessen Zeit als Bischof in Peru. «Ich erwarte nicht, dass er auf regionale Reformwünsche eingeht», sagte Strotmann dem Internetportal kirche-und-leben.de. Er habe in seiner Heimat erlebt, wie schwierig es sei, konservative und progressive Strömungen zusammenzubringen. Strotmann glaubt daher eher, Leo XIV. könnte die Kirche «auf ihre Kernkompetenz zurückführen, auf die Evangelisierung, auf den Glauben an Gott und Jesus Christus und was daraus an konkreten Taten für die Menschen folgt», so Strotmann.
Botschaft der Liebe
Im Kanton Luzern zögert man noch ein wenig mit Äusserungen zum neuen Papst. Zu unbekannt ist der amerikanische Weltenbürger hierzulande bislang. Dennoch: Synodalratspräsidentin Sandra Huber hat einen positiven ersten Eindruck von ihm: «Papst Leo XIV. scheint mir ein ruhiger und bedachter Papst zu sein», schreibt sie auf Anfrage. «Mit seinen ersten Worten übermittelt er den Menschen auf der ganzen Welt, für was er einsteht: Friede sei mit euch allen!» Für Huber ist dies ein Akt der Menschlichkeit. «Ich sehe darin eine kraftvolle Botschaft der Liebe – der Liebe zum Leben und zu Gott.»
Auch Urs Corradini, Pastoralraumleiter Oberes Entlebuch, hat die positive Presse zur Kenntnis genommen, «so dass ich zuversichtlich auf sein Pontifikat blicke und gespannt bin, was er alles an die Hand nehmen wird».
Ein Weltenbürger auf dem Heiligen Stuhl
Der neue Papst Robert Francis Prevost wurde am 14. September 1955 in Chicago geboren. Seine Mutter war spanischer Herkunft, sein Vater hatte französisch-italienische Wurzeln. Prevost studierte Mathematik und trat mit 22 Jahren dem Augustinerorden bei. Er studierte an der Catholic Theological Union in Chicago und wurde mit 27 Jahren zum Priester geweiht. Für das Kirchenrechtsstudium schickte ihn sein Orden nach Rom und anschliessend als Missionar nach Peru. Er arbeitete dort während 30 Jahren vorwiegend in der Ausbildung junger Ordensmänner.
2015 wurde Prevost zum Bischof von Chiclayo im Norden Perus ernannt. Seither besitzt er auch die peruanische Staatsbürgerschaft. 2002 wurde er vom Augustinerorden zum weltweiten Leiter gewählt. Dieses Amt führte er in Rom aus.
In Peru lernte Prevost Papst Franziskus kennen, der ihn zum Leiter der Vatikanbehörde für die Bischöfe und schliesslich zum Kardinal machte. Als Leiter der Behörde war er für die weltweite Ernennung der Bischöfe zuständig und lernte Vertreter aus aller Welt kennen, die in sogenannten Ad-limina-Besuchen über ihr Bistum berichteten.