Jesus provoziert – wie immer schon

Ostern für heutige Menschen erfahrbar machen, das wollte Edith Pfister mit ihrem Stück «Passion». Wie dies gelingt, erzählen Mitspielende anlässlich einer Probe in der Kirche 
Altishofen.

Von Sylvia Stam |  30.03.2023

Maria (Margrith Beck) ist in Sorge, dass ihr Sohn Jesus (Stefan Koller) nicht mehr fromm genug ist. Er hält nicht alle jüdischen Gesetze ein. Bild: Monika Szalai

«Muess das si, dass du d’Lüüt so provoziersch?», fragt Maria ihren Sohn Jesus. Sie hat soeben vernommen, dass er die Handelsleute aus dem Tempel geschmissen hat. «Es isch d’Wahrhet, wo si ned verliidet!», verteidigt sich dieser lautstark. 

Im Altarraum der Kirche Altishofen sehen die Zuschauer:innen eine besorgte Mutter und einen Sohn, der seinen Weg mit Überzeugung vertritt. In der Bibel kommt die Begegnung so nicht vor. Dies gilt auch für manch andere Szene im Stück «Passion», das von der Theologin Edith Pfister-Ambühl verfasst wurde (siehe Kasten).

Fragen von heute

Obiger Begegnung voran geht etwa ein Gespräch zwischen Maria und Johanna, einer Nachbarin. Johanna berichtet Maria, was ihr Sohn so treibt, und erzählt lebhaft, wie er die Gesetzeshüter damit provoziere. Maria ist entsetzt und besorgt zugleich. 

«Wenn man Szenen dazuerfindet, ermöglicht das ein Nachdenken über die biblische Geschichte», sagt Edith Pfister, die heute den Pastoralraum Pfaffnerntal-Rottal-Wiggertal leitet. «Ich kann so bibelwissenschaftliche Deutungen, aber auch Fragen, die Menschen sich bis heute stellen, einbringen.» Etwa die Frage, wie man denn heute mit kirchlichen Gesetzen umgehe. 

Bei bekannten Geschehnissen wie etwa dem Abendmahl lässt Pfister den Original-Bibeltext sprechen, indem dieser vorgelesen wird. Regisseur Josef Szalai inszeniert diese Passagen als Schattenspiele. Dennoch wird auch das Abendmahl anschliessend von zwei Frauen, Mirjam und Salome, nacherzählt. 

«Jeder kennt Jesus»

«Sicherlich waren damals auch Frauen dabei», sagt Edith Pfister. «Im Stück werden sie sichtbar», auch wenn die Bibel sie nicht erwähne. Ausserdem gebe es im Verein Theater Altishofen, der das Stück bei ihr in Auftrag gab, viele Frauen, sagt die Autorin lachend. 

Insgesamt sind es 32 Sprechrollen, darüber hinaus treten Dutzende Statist:innen auf. Jesus wird von Stefan Koller (33) aus Nebikon gespielt. Als Mitglied des Theatervereins hat er viel Spielerfahrung. Dennoch sei diese Rolle anders: «Jeder kennt Jesus», sagt Stefan Koller. «Diesen Vorstellungen von ihm gerecht zu werden, ist eine gewisse Hürde», gibt er zu. Hilfreich sei, dass Regisseur Josef Szalai das ganze Stück präsent habe und ihn entsprechend instruiere. «Josef kennt die Wandlung, die Jesus im Stück durchmacht: Zuerst sucht er seinen Weg, allmählich geht er ihn.» Koller, selber nicht religiös, steht voll hinter den Werten, die das Stück thematisiert: Liebe, Toleranz, Gemeinschaft. Und er lässt sich selbst durch die Rolle in Frage stellen: «Wie habe ich bis jetzt geliebt?»

Im Stück werden die Frauen sichtbar, auch wenn die Bibel sie nicht erwähnt.Edith Pfister, Autorin

Auch Margrith Beck (59) aus Nebikon bleibt nicht unberührt von ihrer Rolle: «Maria ist eine wichtige Figur.» Dass sie sie spielen darf, habe sie zu Tränen gerührt. «Meine Gebete sind persönlicher geworden durch diese Rolle», sagt Margrith Beck, die unter anderem als Kirchenrätin und Firmbegleiterin gewirkt hat. «Das Vertrauen, dass ich mein Leben in Gottes Hand geben kann, wird gestärkt.» 

Alles rundherum vergessen

Erstmals auf einer Theaterbühne steht Heidi Jordi (60) aus Reiden. Sie spielt Salome, eine Anhängerin Jesu. Die Bibel nennt diese namentlich als eine der Frauen, die das leere Grab auf­suchen. «Beim Spielen konzentriert man sich ganz auf die Rolle, man taucht ein in die Geschichte und vergisst alles rundherum», sagt sie begeistert. Im Stück hat sie neue As­pekte der bekannten Erzählung kennengelernt: «Mir war nicht bewusst, dass Pilatus Jesus freilassen wollte, dass er dem Volk die Wahl überliess.» Das Verhalten des Volkes stimmt sie nachdenklich. Es erinnert sie an die Corona-Situation, als es zwischen Geimpften und Ungeimpften auch zu Verurteilungen kam.

Die Aussagen zeigen, dass der Transfer ins Heute tatsächlich gelingt. Dies nämlich war der Autorin ein wich­tiges Anliegen. Aus diesem Grund endet das Stück denn auch nicht mit der Kreuzigung, sondern mit dem 
Ostergeschehen.