«Macht euch die Erde untertan»?
In der christlichen Theologie gilt der Mensch als Abbild Gottes, aber zugleich als Teil der Natur. Soll er sich «die Erde untertan machen» oder für die «Bewahrung der Schöpfung» einstehen?

Der Mensch bezeichnet sich gerne als Krone der Schöpfung. Er missachtet aber oft die Verantwortung, die damit einhergeht. |Bild: Dominik Thali
Als Abbild Gottes besitzt der Mensch eine Sonderstellung in der Natur. So erzählt es die biblische Schöpfungserzählung im ersten Buch Mose, dem Buch Genesis. In Psalm 8 des Alten Testaments heisst es, Gott kröne den Menschen mit «Herrlichkeit und Ehre». Durch seine herausgehobene Position besitzt der Mensch eine besondere Würde. Dieser Grundsatz gehört zum Kern der jüdisch-christlichen Glaubensbotschaft.
Adam bedeutet «Erdling»
Gott überträgt dem Menschen die Herrschaft über die restliche Schöpfung. «Macht euch die Erde untertan», lautet der bekannte Auftrag an die Menschen (Gen 1,28). Dieses Bibelzitat beschreibt aber nur die halbe Botschaft. Nach den Schöpfungserzählungen ist der Mensch selbst auch «Erdling», also Teil der Natur. Adam, der hebräische Begriff für Mensch, bedeutet eigentlich «dem Ackerboden zugehörig».
Eine wichtige Rolle spielt in den Schöpfungserzählungen auch der «Baum der Erkenntnis von Gut und Böse». Er steht für die Möglichkeit des Menschen zur Sünde. Laut der biblischen Überlieferung hat der Mensch also eine Doppelnatur: Er ist gottähnlich, aber auch erdverbunden, engelsgleich und doch verstrickt in Schuld und Sünde. Das zeigt sich in seiner Stellung innerhalb der Schöpfung und in seinem Umgang mit der Natur.
Das heutige Zeitalter wird auch als «Anthropozän» bezeichnet, als ein Zeitalter, in dem das ganze Erdsystem wesentlich durch den Menschen geprägt ist. Dass dies dem Planeten nicht guttut, ist offensichtlich: Flutkatastrophen, extreme Dürre, schmelzende Polarkappen und vermüllte Meere zeugen davon.
Christentum und Umwelt
Die Ausbeutung der Erde wurde in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder mit dem biblischen «Herrschaftsauftrag» begründet. Das geschieht so direkt heute nur noch selten. Klimafeindliches Verhalten findet sich aber immer noch auch in christlichen Kreisen. In den USA etwa leugnen Freikirchen und konservative Katholik:innen den Klimawandel und unterstützen damit die Haltung und Politik Donald Trumps.
Schaut man auf die biblischen Schriften und die Prinzipien der christlichen Sozialethik in ihrer Gesamtheit, ist klar, dass Christentum und Umweltschutz zusammengehören. Einer, der dies besonders betonte, war Papst Franziskus. Mit seiner Enzyklika «Laudato si’» hat er das Bewusstsein für die Achtung und Bewahrung der Schöpfung innerhalb der Kirche gestärkt. Seine deutliche Kritik an politischem und technisch-ökonomischem Machtmissbrauch hat auch ausserhalb kirchlicher Kreise Wellen geschlagen.
Ökologischer Vordenker
Auch der heilige Franz von Assisi (1181–1226), dessen Gedenktag am 4. Oktober gefeiert wird, hatte schon früh verstanden, dass es im Verhältnis des Menschen zur Umwelt nicht um eine einseitige Herrschaft gehen kann. Er plädierte für ein geschwisterliches Verhältnis und war damit eine Art ökologischer Vordenker.