Oberhaupt einer verbeulten Kirche

Am 13. März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt. Er ist der erste Papst aus Lateinamerika. Sein Name «Franziskus» ist Programm: Er stellt Arme und Ausgegrenzte ins Zentrum. Ein Rückblick auf bleibende Momente.

Von Alexander Brüggemann/kna |  30.03.2023

Papst Franziskus stellt Ausgegrenzte ins Zentrum: Besuch in einem Heim für Obdachlose und bedürftige Familien in Dublin (2018). Romano Siciliano/kna

«Buona sera!» – So schlicht begrüsst Papst Franziskus die Welt nach seiner Wahl am 13. März 2013. Nur in Weiss gekleidet, ohne den traditionellen roten Schulterumhang, stellt er sich vor als ein Hirte «vom anderen Ende der Welt». Er bittet das Volk um seinen Segen, bevor er es selbst segnet. 

Zwei Päpste: Die Bilder des zurückgetretenen Benedikt XVI. und des «frischen» 76-jährigen Franziskus gehen um die Welt. Zwei Männer in Weiss statt «Es kann nur einen geben». Wie wird es klappen mit den beiden? Trotz oder wegen des guten Einvernehmens: Die einmalige Chance, das Fussball-WM-Finale 2014 (Argentinien-Deutschland 0:1) gemeinsam zu schauen, lassen die zwei aus.

Flüchtlinge first: Die Tagesreise von Franziskus auf die überlastete italie­nische Flüchtlingsinsel Lampedusa im Juli 2013 wird weltweit beachtet. Der Papst macht offenbar ernst mit seinen Worten, an die Ränder der Gesellschaft gehen zu wollen!

Verbeulte Kirche: Ein Bild aus seinem programmatischen Lehrschreiben «Evangelii gaudium» (Die Freude des Evangeliums) vom November 2013 wird zu einem der meistzitierten Sätze seines Pontifikats: «Mir ist eine ‹verbeulte› Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Strassen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die krank ist wegen ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern.»

Friedensgesten: Bei seiner Heiliglandreise im Mai 2014 nach Jor­da­nien, Israel und in die Palästi­nen­sergebiete wirbt Franziskus für Versöhnung im Nahostkonflikt. Er setzt spektakuläre Friedensgesten, etwa ein Gebet an der israelischen Sperrmauer sowie eine symbolische Umarmung dreier Weltreligionen an der Jeru­sa­lemer Klagemauer. 2020 veröffent­licht er die Friedensenzyklika «Fra­telli tutti».

Nahe bei den Menschen: Vor dem völlig entstellten Vinicio Riva haben viele Menschen Angst. Ist das ansteckend? Der Italiener leidet seit seiner Jugend an Neurofibromatose: ungezählten Nerventumoren, die grosse Beulen verursachen, stark schmerzen und ihn in den Rollstuhl zwingen. Papst Franziskus geht auf ihn zu, umarmt und küsst ihn.

Obdachlose: Neben neuen Duschen können Obdachlose rund um den Vatikan seit 2015 auch einen eigenen Coiffeurservice nutzen. Das päpstliche Almosenamt stellt ihnen an den Kolonnaden des Petersplatzes einen kleinen Coiffeursalon zur Verfügung. Dort rasieren und frisieren römische Bar­biere die Bedürftigen ehrenamtlich.

«Laudato si’»: Im Juni 2015 veröffentlicht Franziskus seine Umweltenzy­klika «Laudato si’». Darin mahnt der Papst einen besseren Umgang mit der geplünderten Umwelt und mit den Menschen an, die in ihr leben. Franziskus ergänzt mit diesem Schreiben einen Eckstein der kirchlichen Sozialverkündigung für das 21. Jahrhundert. Kyrill I.: Im Februar 2016 trifft Franziskus auf Kuba den Moskauer Pat­riarchen Kyrill I., die erste Begegnung überhaupt zwischen einem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und einem der russischen Orthodoxie. Dieses historische Treffen wird nachträglich entwertet durch die Entscheidung Kyrills, den Überfall Wla­dimir Putins auf die Ukraine zu rechtfertigen und gleichsam kirchlich abzusegnen. Franziskus warnt den Patriarchen, sich nicht selbst zu «Putins Messdiener» zu degradieren.

Corona: Die Pandemie erfasst Anfang 2020 für mehrere Monate die ganze Welt. Das hat Folgen für den Vatikan: Franziskus muss die Osterfeierlichkeiten auf dem menschenleeren Petersplatz und im menschenleeren Petersdom ganz allein feiern; die Bilder gehen um die Welt.