Pulte und Pasta statt Predigten

In Kriens soll eine Kirche zum Schulhaus werden. Was bedeutet das für den betroffenen Pastoralraum? Welche Schritte sind dazu nötig und wo liegen die Grenzen solcher Umnutzungen? 

Von Sylvia Stam |  15.09.2025

Bald Schule statt Kirchenzentrum? Bernhard Waldmüller, Leiter des Pastoralraums Kriens, vor dem Kirchenzentrum «Senti». | Bild: Roberto Conciatori

Eine Buchhandlung, ein Swimmingpool oder eine Kletterwand in einer Kirche? Was in den Niederlanden und Grossbritannien bereits Realität ist, kommt hierzulande bislang nicht vor. Doch auch in der Schweiz stehen Kirchgemeinden und Bistümer immer häufiger vor der Frage, wie ihre Gebäude weiter genutzt werden sollen, wenn die Zahl der Gottesdienstbesucher:innen zurückgeht. 

Jüngstes Beispiel im Kanton Luzern ist die Katholische Kirchgemeinde Kriens. «Kirchenzentrum St. Franziskus wird Schulraum» titelte sie Anfang Juni in einer Medienmitteilung. Weil die Stadt Kriens dringend Schulraum benötigt, ging sie auf die Kirchgemeinde zu.

Stadt kam auf Kirche zu

Der Zeitpunkt dieser Anfrage war «genau richtig», sagt Bernhard Waldmüller, Leiter des Pastoralraums Kriens. «Wir beschäftigen uns seit etwa drei Jahren mit der Frage, wie viel Infrastruktur wir brauchen.» In Spitzenzeiten hatten die einst drei Pfarreien 18 000 Mitglieder. Vor zwei Jahren wurden sie zu einer Pfarrei zusammengelegt, die laut Waldmüller noch 13 000 Mitglieder zählt.
Zum Kirchenzentrum St. Franziskus, das 1979 eröffnet wurde, gehören ein Saal, Gruppenräume und Büros, eine Sakristei, eine Teeküche sowie ein Wohnhaus. Aktuell wird das Zentrum u. a. für Religionsunterricht, Chorproben, einen Mittagstisch und vom Blauring genutzt, in der Kirche finden Familiengottesdienste statt. 

Die Gläubigen wurden in einem Brief über die Gründe für die Übergabe des Kirchenzentrums informiert. «Sie haben ausserdem die Möglichkeit, sich an der Kirchgemeindeversammlung vom 24. September einzubringen», sagt Waldmüller. Dann wird über die rechtliche Grundlage für die Übergabe an die Stadt entschieden. Vor Ort sei ausserdem ein Gesprächsabend geplant. Der Tenor der Rückmeldungen laute: «Die Umnutzung sei schade, aber sinnvoll.» 

Für die Menschen

Eine wichtige Rolle spiele dabei, dass die Gebäude der Jugend zugutekommen. «Wir geben das verbleibende Geld der Kirchgemeinde lieber für Menschen als für Gebäude aus. Eine Schule ist ein guter Zweck», findet der Pastoralraumleiter. 
 

Die frühere Dorfkapelle Dierikon ist heute wieder ein Ort der Begegnung: Mittagsgäste im «Omnia». | Bild: Sylvia Stam

Bis aus der Kirche eine Schule wird, bedarf es jedoch noch weiterer Schritte. Wenn die Kirchgemeinde zustimmt, legt der Kirchenrat mit der Stadt fest, welche Gebäude übergeben werden sollen, wie (Verkauf, Vermietung, Abgabe im Baurecht) und wann genau. 

Profanierung der Kirche

Mit der Kirche ist auch ein sakraler Raum von der geplanten Umnutzung betroffen. Hier redet das Bistum mit. «Die Pastoralraumleitung wird beim Bistum einen Antrag auf Profanierung stellen», sagt Waldmüller. Damit ist die «offizielle Entwidmung eines Sakralraums» gemeint, erklärt Generalvikar Markus Thürig. Wörtlich bedeutet der Ausdruck «Verweltlichung». Die Genehmigung dazu erteilt der Bischof, «wenn ein Kirchengebäude nicht mehr für die Liturgie benötigt wird und eine Nachnutzung vorgesehen ist, die mit dem bisherigen sakralen Charakter vereinbar ist». Die Nachnutzung dürfe «die religiösen Gefühle der Menschen, die hier gefeiert haben, nicht verletzen», hält das Bistum fest, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Der Entscheid liege im Ermessen des Bistums, in Absprache mit der Pfarrei oder Kirchgemeinde.

Vollzogen wird die Profanierung im Rahmen einer Messe, indem nach dem Schlusssegen das Profanierungsdekret verlesen wird. Anschliessend werden die geweihten Hostien aus dem Sakralraum hinausgetragen und wird das «ewige Licht» gelöscht. Waldmüller möchte diesen Abschied vom Kirchenraum auch mit einem Fest verbinden. 

Gibt es Reliquien?

Zur Profanierung gehört auch die Entfernung allfälliger Reliquien. Laut Thürig ist in Kriens ein «Reliquiengrab» sichtbar, also eine Öffnung zum Aufbewahren von Reliquien. «Bisher wurde kein Dokument gefunden, das besagt, welche Reliquien bei der Altarweihe eingelassen wurden», schreibt Thürig. Sollte bei der Öffnung eine Reliquie gefunden werden, wird diese dem Bistum übergeben, «damit sie später andernorts wiederverwendet werden kann».

Buchrain und Dierikon

Im Kanton Luzern wurden in den letzten sechs Jahren elf Hauskapellen von Ordensgemeinschaften, Altersheimen und Spitälern sowie eine Kirche profaniert. Letztere ist die alte Pfarrkirche St. Agatha in Buchrain. Seit 2021 nutzt der Verein «AltBar Bueri» das Gebäude für Begegnung, Kultur und Barbetrieb, vorderhand bis 2029. Was danach mit der Kirche geschieht, ist noch offen.

Bereits 1978 wurde die Dorfkapelle in Dierikon profaniert. Seit 2020 befin-det sich darin unter dem Namen «Omnia» ein stilvolles Restaurant und Eventlokal mit Bar und Lounge. Auf der Speisekarte stehen «Göttliche Mahlzeiten» und «Gesegnetes Wasser». Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass aus der Kapelle ein neuer Ort der Begegnung wurde. Im Dachgeschoss kann ein Raum für Sitzungen oder Gymnastik gemietet werden. 
 

In Maastricht (NL) wurde eine Kirche zur Buchhandlung. | Bild: istockphoto.com

Mischnutzungen

Weniger radikal sind sogenannte Mischnutzungen, wie sie seit 2014 im «MaiHof» und seit 2018 in der Peterskapelle Luzern stattfinden. Beide Kirchen wurden nicht profaniert, nebst Gottesdiensten finden auch kulturelle Anlässe wie Konzerte oder Ausstellungen statt. Dazu wurden die Kirchenbänke jeweils durch eine flexiblere Bestuhlungsform ersetzt. 

Bis auch in Kriens Schulbänke statt Kirchenbänke stehen, wird es noch rund zwei Jahre dauern. Bernhard Waldmüller rechnet mit einer Über-
gabe im Herbst 2027. Für ihn selbst ist es «kein leichter Schritt». Aber er ist überzeugt, dass es der richtige ist, denn «die Kirche soll in erster Linie für die Menschen da sein.»

Die Wünsche der Bischöfe

Die Schweizer Bischofskonferenz empfiehlt in einer Broschüre von 2024 drei Möglichkeiten, kirchliche Gebäuden umzunutzen: 

  • Favorisiert wird eine kirchliche Nutzung durch andere christliche Konfessionen. Kirchen und Kapellen sollen nach Möglichkeit nicht anderen Religionen zur Verfügung gestellt werden.
  • An zweiter Stelle stehen kulturelle oder soziale Nutzungen (Museum, Konzertraum, Bibliothek, Kinderkrippe, Mittagstisch usw.), «sofern diese nicht im Gegensatz zu humanitären Werten des Evangeliums stehen».
  • Bei Kirchenräumen, die kunsthistorisch nicht sehr wertvoll sind, sei auch eine Umnutzung zu Wohnzwecken denkbar. Kommerzielle Nutzungen ziehen die Bischöfe höchstens für Pfarreizentren in Betracht.