Sie öffnen Türen zum Gespräch

Erst Corona, dann der Krieg: Krisen werfen Menschen aus der Bahn. Die «elbe» bietet ihnen Raum, zurück zu sich und in die Verantwortung zu finden. Und gerät derweil in ihrem Jubiläumsjahr selbst an den Anschlag.

Von Dominik Thali |  01.05.2023

Offene Türen für alle: Psychotherapeutin Jenny Graf und Stellenleiterin Paola Ganyi in den «elbe»-Büros. Bild: Dominik Thali

Jedes Jahr steigende Zahlen, inzwischen doppelt so viele Beratungs- und Therapiestunden wie vor fünf Jahren: «Das ist eine gute Nachricht», sagt Paola Ganyi. «Die Leute kennen und vertrauen uns offenbar.» Das «Aber» folgt auf dem Fuss: Ganyi (56), seit zwei Jahren Stellenleiterin der «elbe», hält fest: Die grosse Nachfrage fordert das Team, die Warteliste umfasst 25 Dossiers, die Wartezeit beträgt bis zwei Monate. Bereits 2022 konnte die «elbe» aber in der Beratung um eine halbe Stelle auf 255 Stellenprozente ausbauen und Ganyi, Sozialarbeiterin und Mediatorin, ihr Leitungspensum von 35 auf 50 Prozent aufstocken. Die 2021 bezogenen neuen Räume an der Hertensteinstrasse 28 in Luzern sind endlich gross genug. In ihrem 50. Jahr ist die «elbe» gut aufgestellt. 

Den Boden verlieren

Psychotherapeutin Jenny Graf (36), eines der fünf Teammitglieder, erstaunt die grosse Nachfrage nicht. «Corona hat vielerorts Spannungen verstärkt, mit dem Ukrainekrieg geht die Krise nahtlos weiter.» In den Alltag übersetzt heisst das zum Beispiel: Im Homeoffice können sich Paare nicht mehr ausweichen und es prallen Haltungen aufeinander, der Krieg zieht Menschen den Boden unter den Füssen weg. Angst lähmt. Beziehung, Arbeit, Gesundheit, Kontrollverlust: «Zu uns kommen viele Klientinnen und Klienten, die es regelrecht schüttelt», sagt Ganyi. Bei der «elbe» verdichtet sich das Leben gerade sehr. 

Manchmal wird es laut

«Spannend» sei ihre Arbeit auch in solchen Zeiten, finden sie und Graf übereinstimmend. Die Menschen kämen schliesslich zur «elbe», weil sie Hoffnung auf Veränderung hätten. «Wir bieten ihnen Raum zur Auseinandersetzung», erklärt Ganyi. Graf bringt das Beispiel dazu: «Bei einem zerstrittenen Paar fliegen zu Hause die Fetzen. Bei uns erfährt und lernt es, wie Kommunikation ohne Verletzung möglich ist. Der Perspektivenwechsel entlastet.» Aus der Dynamik ausbrechen, die Situation erkennen, in die Eigenverantwortung kommen: Was einfach klingt, muss freilich auch immer wieder hart erarbeitet werden. «Da werden auch mal Türen geschletzt», sagt Graf.
Die Tage sind vielfältig in den «elbe»-Räumen, das Angebot der Fachstelle ist breit. Eine 16-Jährige, ungewollt Schwangere sucht hier ebenso Hilfe wie ein Ü70-Paar, das nach langen Ehejahren an den Anschlag kommt. Die Mitarbeitenden sind mit Angeboten in der Gesundheitsförderung, Prävention und Sexualpädagogik auch unterwegs an Schulen und Ausbildungsorten wie etwa der Pädagogischen Hochschule.

Hilfe hängt nicht vom Lohn ab

Die Beratung ist der grösste Bereich der «elbe». Wichtig ist hier: Die Tarife sind einkommensabhängig. Das machen vor allem die Kirchen möglich, die 1973 die Stelle mitgegründet hatten. «Die staatlichen Gelder würden dafür nicht genügen», sagt Paola Ganyi. Dass auch Menschen mit wenig Geld Hilfe erhielten, sei nicht zuletzt «eine Frage der Chancengleichheit».
 

Kirchen gründeten und tragen die «elbe» mit

Interkonfessioneller Verein für Ehe- und Lebensberatung Luzern – kurz: elbe – hiess die Stelle, welche die Kantone und Landeskirchen Luzern, Ob- und Nidwalden im September 1973 gründeten. Dieses Jahr feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen.
Seit 2016 ist die «elbe» als «Fachstelle für Lebensfragen» unterwegs. Die Landeskirchen tragen rund einen Viertel des Aufwands. Präsidiert wird der Verein von Hans Burri (kath., Malters) und Rosemarie Manser (ref., Eich).

Ehe-, Lebens- und Schwangerschaftsberatungen sind ein gesetzlicher Auftrag. Luzern, Ob- und Nidwalden kommen diesem über die «elbe» nach.

  • elbeluzern.ch, Hertensteinstrasse 28, Luzern
  • Tag der offenen Tür am 25. September