«Wir haben etwas bewirken können»

Der Verein LISA setzt sich seit zehn Jahren für die Interessen der Sexarbeitenden ein. Die finanzielle Unterstützung, die auch von Kirchen stammt, trägt dazu bei, dass die betroffenen Menschen wichtige und nötige Hilfe erhalten.

Von Robert Bossart |  23.05.2023

Der Verein LISA ist Anlaufstelle für rund 600 Sexarbeitende. Bild: marabu-fotografik

«Was mich immer wieder beeindruckt, ist der Lebensmut, den diese Menschen haben. Dabei denkt man manchmal, wie das überhaupt möglich ist, in gewissen Situationen immer wieder das Positive zu sehen.» Eliane Burkart, Geschäftsleiterin des Vereins LISA, sitzt in einem kleinen Büro am Franziskanerplatz, das von der Katholischen Kirche Stadt Luzern zur Verfügung gestellt wird. «Die Unterstützung sowohl der katholischen als auch der reformierten Kirche und anderen Institutionen ist enorm wichtig», betont sie. Nebst Institutionen, Stiftungen und der Stadt Luzern stammt die Hälfte des benötigten Geldes von privaten Spenderinnen und Spendern. Aktuell geht es darum, Leistungsvereinbarungen sicherzustellen, zudem soll der Verein neu zertifiziert werden. «Damit sichtbar gemacht wird, dass wir verantwortungsvoll mit den Mitteln umgehen.»

Viele sind Mütter

Was vor zehn Jahren klein angefangen hat, ist heute zu einem breiten Angebot gewachsen, das rege genutzt wird.

«Viele der Betroffenen sind Mütter, deren Kinder meist im Heimatland wohnen», erzählt Eliane Burkart. Meist wissen die Angehörigen nicht, dass sie im Sexgewerbe tätig sind – die Scham und die Angst vor Stigmatisierung ist zu gross. «Es ist berührend, wie diese Frauen ihre Kinder über alles lieben und sehr stolz sind auf sie.» Die meisten Sexarbeitenden sind EU-Migrantinnen, die im Meldeverfahren in der Schweiz sind und 90 Tage legal arbeiten dürfen. «Das Gewerbe ist hochmobil, deshalb ist es für uns eine Herausforderung, Beziehungen aufzubauen.» Auch fehlt es oft an Deutschkenntnissen, weshalb der Verein mit Übersetzerinnen arbeitet. Die Mehrheit der Personen sind Frauen aus östlichen EU-Ländern, sowie aus Latein- und Südamerika, vereinzelt arbeiten auch Männer und Transfrauen, deren Kundschaft auch männlich ist.

Minimale Strukturen

Die Hilfsangebote von LISA für die rund 600 Sexarbeitenden im Kanton sind heute vielfältig. Vor zehn Jahren, als das neue Gesetz über die Strassenprostitution den Strassenstrich vom Wohngebiet Tribschen ins anonyme Industriequartier Ibach verlagerte und das Parlament deshalb ein Betreuungs- und Beratungsangebot beschloss, wurde der Verein ins Leben gerufen. «Die Sexarbeitenden brauchten im menschenleeren Ibach ein Minimum an Struktur, so stellten wir den Container «hotspot» auf, wo vier Abende pro Woche je zwei Mitarbeiterinnen anwesend sind.» Pause machen, Kaffee trinken, Beratungsgespräche führen, Kondome beziehen, Mensch sein, sich austauschen: Für viele Sexarbeitenden ein willkommenes Angebot.

Seit 2016 findet der wöchentliche Mittagstisch und Treffpunkt ROSA im Zentrum Barfüsser statt. Manchmal sind es 15 Personen, manchmal bis zu 40, die vom Angebot Gebrauch machen. LISA hilft aber auch im medizinischen Bereich: Mit LISAcare bietet der Verein im «gyn-Zentrum» am Bahnhof Luzern ein niederschwelliges und kostengünstiges Gesundheitsangebot an. «Dort erhalten die Sexarbeitenden für wenig Geld gynäkologische Vorsorge und weitere Hilfe», so die Geschäftsleiterin.

Vor Ort beraten

Die Mitarbeitenden von LISA gehen aber auch direkt ins Sexgewerbe vor Ort, APiS – aufsuchende Prävention genannt. Die rund 107 Betriebe werden regelmässig besucht. «Wir suchen das Gespräch, informieren über unsere Angebote, geben Kondome ab und beraten vor Ort», erklärt Eliane Burkart. Klar gebe es Orte, wo ihnen die Türe vor der Nase zugeschlagen werde, aber in den meisten Fällen seien die Betreiber offen. Das klassische Bild des kriminellen Zuhälters entspreche nicht mehr der Realität. «Generell findet man überall Leute, die mitverdienen wollen, insbesondere im Sexgewerbe», weiss Eliane Burkart. Wichtig sei generell, dass die Betroffenen einen geregelten Aufenthaltsstatus und legale Arbeitsbedingungen haben, denn: Illegalität führe oft zu Abhängigkeit.

Deshalb ist das Beratungsangebot von LISA von grosser Bedeutung. «Wir beraten in allen Lebensbereichen und zu verschiedenen Themen wie Arbeit, Selbständigkeit, Sicherheit, Gesundheit, Bewilligung, Steuern, Krankenkasse und Prämienverbilligung, Familienzulagen, AHV, Betreibung, Berufswechsel und so weiter», erklärt die Geschäftsleiterin. Insgesamt zieht sie ein positives Fazit der letzten zehn Jahre: «Wir konnten mithelfen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, da haben wir etwas bewirken können.»

Zur Website des Vereins LISA

 

 

Gesprächsrunde und Kinofilm

Am 2. Juni, 17.30 Uhr findet im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums von LISA im MaiHof (Kirchensaal)  der Jubiläumsanlass mit  Gesprächsrunde statt: «Die Kinder wissen es nicht» - Sexarbeit und ihre Stigmatisierung, Anmeldung bis 26. Mai auf www.verein-lisa.ch/anmeldung

Am 22. November läuft im Stadtkino Luzern um 18.30 Uhr der Film «Viktoria» mit anschliessender Gesprächsrunde.